Der „Dopamin Tradeoff“ und die Digitalisierung

Was ist da eigentlich in den Kindergärten los?

Vor allem in sonderpädagogischen Kindergärten landen heute immer häufiger Kinder, die ein Phänomen zeigen, dass man im Alltag auch ausserhalb der Sonderschulen beobachten kann. Diese Kinder in der Sonderschule haben es in einer viel stärkeren Form: Es sind Kinder mit einer Autismusspektrumsstörung (im Folgenden ASS genannt), die starkes Suchtverhalten nach Smartphones oder Tablets zeigen. 

Es nimmt teilweise extreme Formen an, wenn diese Kinder auf das Smartphone verzichten sollen: Einige schreien oder lautieren. Fast alle haben einen enormen Bewegungsdrang, laufen herum oder rennen gar davon. Manche sind aggressiv gegen sich selbst oder gegen ihre Betreuungspersonen. Es sind echte Krisensituationen, die sich in manch einem Schul- oder Kindergartenzimmer abspielen.
Wie lässt sich das erklären? Was bedeutet das für Kinder ohne ASS?

Gestresste Kinder

Man kann verstehen, dass es für Eltern oft sehr schwierig ist, ein Kind mit ASS zu Hause zu haben: Die Kinder nehmen von sich aus selten bis gar nie Blickkontakt auf, sie zeigen oft kein soziales Lächeln, was die Eltern zutiefst verunsichert. Stattdessen zeigen sich die Kinder oft unruhig und reizbar. Das liegt vor allem daran, dass sie in ihrer Wahrnehmung regelrecht von Reizen überflutet werden. Was für uns „normal“ laut oder hell oder fest (taktile Wahrnehmung) ist, kann für Kinder mit ASS viel zu viel sein: Es ist ihnen zu laut, zu hell und der Druck auf der Haut gibt ihnen eine diffuse, wenig differenzierte Empfindung.

Darüber hinaus ist für Kinder mit ASS das soziale Zusammenleben sehr anstrengend, weil es für sie nicht klar ist, wie es funktioniert: Bei Messungen der Gehirnaktivität von Menschen mit ASS lässt sich beobachten, dass ihre Spiegelneurone kaum aktiv werden: Die Spiegelneuronen haben die Aufgabe, die Stellung der Muskulatur (z.B. die Gesichtsmuskeln) unseres Gegenübers zu beobachten und gedanklich zu analysieren: Wie fühlt sich diese Stellung der Gesichtsmuskeln für die Person an? Diese Analyse ist für Menschen mit ASS kaum möglich. Für sie ist das soziale Zusammenleben aufgrund der fehlenden Informationen wenig vorhersehbar. Fehlende Vorhersehbarkeit ist ein Faktor, der viel Stress verursacht.

Was sollen die Eltern tun? Es entsteht eine sehr belastende Situation in diesen Familien. Da ist es für viele Eltern ein Segen, wenn sie mit Hilfe des Smartphones für ein wenig Beruhigung sorgen können. Das funktioniert eigentlich immer. Es ist für die Kinder interessant, vorhersehbar und man muss nicht in eine anstrengende soziale Situation eintreten.

Es hilft, sich auf ein Spiel oder Video auf dem Tablet oder Smartphone zu fokussieren. Dabei geht es oft nicht um den Inhalt. Man kann oft beobachten, dass die Kinder ein Video nach dem anderen immer weiterwischen oder ständig das Spiel wechseln. Man kann auch sagen, sie sind auf der Jagd nach etwas. Dopamin ist das Hormon, dass im Gehirn das Jagdverhaltenbefeuert: Das nächste Video, das nächste Spiel könnte noch interessanteer sein. Das Gehirn verspricht sich einen Kick davon. Dopamin wird ausgeschüttet. Dopamin sorgt ausserdem dafür, dass Gefühle von Stress und der Angst wesentlich weniger bedrohlich wirken. Es ist einfach ein gutes Gefühl mit Dopamin im Blut. Je intensiver die Jagd desto besser fühlt es sich an.

Nimmt man den Dopamin Generator – z.B. ein Smartphone – weg, dann ist einerseits der Stress schnell wieder da und der Dopamin Level sinkt dazu schnell unter Normal Level. Das ist zu viel für die gestressten Gehirne dieser ASS Kinder. Es kommt zu heftigen emotionalen Ausbrüchen. Es ist einfach viel zu wenig Dopamin da, dafür viele Stresshormone.

wie die Schwellenwerte für Dopamin verändert werden

Was passiert , wenn immer wieder ein grosse Menge Dopamin ausgeschüttet wird? Zunächst fühlen wir uns sehr gut. Doch dann gibt es einen Gewöhnungseffekt: Die Neuronen, die Dopamin aufnehmen, werden sich an die grossen Mengen an Dopamin anpassen.

Es tritt schon bald ein Gewöhnungseffekt ein, der sich immer weiter fortsetzt. Der Schwellenwert (die Menge an Dopamin) den die Synapsen brauchen, um reagieren zu können, wird nicht mehr erreicht. Stattdessen warten die Sensoren auf eine höhere Dosis an Dopamin.

Kommt endlich eine genügend hohe Dosis an Dopamin, folgt das nächste Problem direkt nach. Die gleiche Menge an Dopamin, die gestern noch einen richtigen Flash ausgelöst hat, wirkt heute nicht mehr so toll. Wir sollten etwas mehr Dopamin haben. Vielleicht könnten wir die Dosis etwas nach oben korrigieren.

Der Effekt zieht noch weiteres Unheil nach sich: Dopamin hält nicht lange und der Anteil an Dopamin im Blut wird sinken. Der Dopamin Level wird tiefer, als er normalerweise wäre, sinken. Das Gehirn erkennt irgendwann den zu tiefen Anteil und korrigiert den Dopamin Level wieder auf «Normal». Der Vorgang der Normalisierung des Dopamin Levels nach einer starken Störung des Gleichgewichts braucht etwas Zeit. Gleichzeitig sind die Sensoren für Dopamin weniger empfindlich geworden, sie werden das Gehirn also weniger für die kleinen Freuden des Alltags belohnen.

All das fühlt sich wirklich schrecklich an. So fühlt sich eine selbstgemachte Depression an. Wenn es nun einen Weg gibt, den Dopamin Level schnell wieder ansteigen zu lassen, ist der sehr verlockend. Nicht das Hochgefühl ist das Problem, sondern der Zustand, wenn es vorüber ist.

Es ist dieser Zusammenhang zwischen Dopamin und Suchtverhalten, der digitale Medien zur Gefahr werden lässt. Dopamin befeuert das Lernen, die Auseinandersetzung mit der Umwelt. Das gilt auch für Kinder ohne ASS: Wenn es eine viel stärkere und attraktivere Alternative gibt, sich Dopamin zu verschaffen, werden manche Kinder sie bevorzugen. Wenn Kinder die Wahl haben, raus zu gehen und zu spielen oder etwas Interessantes am iPad zu machen, wählen sehr viele das iPad.  Es bietet mehr Dopamin bei weniger Arbeit für das Gehirn. Das macht das Gehirn kohärent. Es fühlt sich gut an.

Der «Dopamin Tradeoff»

Da unser Gehirn auf digitale Inhalte häufig sehr motiviert anspringt, produziert es viel Dopamin, um sich darauf fokussieren zu können. Es ist motiviert – verspricht sich also einen Gewinn davon, sich mit dem Medium zu beschäftigen. Ein häufig hoher Level an Dopamin im Blut wird dazu führen, dass die Rezeptoren sich daran gewöhnen. Die Menge an Dopamin im Blut muss hoch sein, denn so sind es die Rezeptoren nach einiger Zeit gewöhnt. Wenn wir nun versuchen, zu lernen, auf die altmodische Art – in einer Schule vielleicht – erzeugt das möglicherweise nicht die erhoffte Menge an Dopamin.

Der «Dopamin Tradeoff» (link zum Blogbeitrag) beschreibt das Zusammenspiel zwischen den Rezeptoren für viel Dopamin und denen für wenig Dopamin. Wenn wenig Dopamin im Blut ist, kommt es nicht zu einer Fokussierung auf ein Thema oder eine Aktivität. Alle aufgenommenen Informationen werden mit der gleichen Priorität behandelt. Das bedeutet, mit wenig Dopamin im Blut ist man leicht ablenkbar. Bei leicht ablenkbaren Kindern und Jugendlichen kann es viele Ursachen geben. Eine, die man immer häufiger findet, ist hoher Medienkonsum.

Mit welchen Mengen an Dopamin kann sich ein Mensch den Tag über versorgen? Oft werden Sie bei leicht ablenkbaren Menschen Hinweise auf einen hohen Konsum von Spielen, Videos oder ähnlichem finden. Der Schwellenwert – also die Menge an Dopamin, die nötig ist, um sich fokussieren zu können, wird von solchem Verhalten hoch gesetzt. Das normale Leben ist oft weniger attraktiv als digitale Inhalte. Es wird weniger Dopamin ausgeschüttet, als notwendig wäre, um sich fokussieren zu können.

Das lässt sich in vielen Kindergärten gut beobachten: Es gibt eigentlich in jeder Gruppe Kinder, die nicht selbst ins Spielen kommen: Sie laufen herum, fangen mal dies an und mal das, alles scheint nicht interessant genug für sie. Aus der Perspektive des Gehirns kann man sagen, es gibt nicht genug Dopamin, um sich in etwas vertiefen zu können. Wenig Dopamin verursacht genau diesen „Scanningmodus“: Alles im Blick behalten, nichts verpassen.

Ist es ADHS? 
Es gibt Menschen, für welche die Reizschwellen für Dopamin bereits von Geburt an schwer zu erreichen sind. Sie sind in der Folge ebenfalls stark ablenkbar. Das sind Menschen mit ADHS. Es sind zwar ähnliche Effekte im Gehirn, aber Menschen mit ADHS hatten nie eine andere Wahl: Ihr Gehirn wurde so angelegt.

Was nun?

Um mit den Ablenkungen durch digitale Medien dennoch lernen zu können, braucht es «Dopamin Management», also einen kontrollierten Umgang damit. Es ist unrealistisch, Dopamin fördernde Medien einfach zu verbieten. Das Timing hingegen könnte interessante Optionen bieten: Wir können das Verlangen nach Dopamin mit dem Lernen verbinden.

Wenn Dopamin fördernde Geräte nichts zum Lernen beitragen können, sind sie hinderlich. Möglich wäre aber folgende Verabredung vor diesem Lernprozess: Wenn jemand sich fokussieren konnte, also Dopamin eingesetzt hat, um zu lernen, kann es eine Zeit geben, in der die Ablenkung zugelassen ist. Die Spiele und  Videos werden auch dann wieder den Dopamin Ausstoss stimulieren. Aber es war nun Arbeit im Vorfeld nötig, um es zu bekommen. Jetzt haben die Spiele die Funktion einer Belohnung. Als Verstärker mobilisiert das Gehirn nach solch einer Anstrengung daher das Hormon Serotonin. Ein Glückshormon. Es wird dafür sorgen, dass das Verhalten, dass zu dem Ausstoss von Dopamin und Serotonin geführt hat, wiederholt wird. Glückshormone sind ideal, um erfolgreiches Verhalten zu verstärken.

Langfristig kann so der Zustand, dass Dopamin auch tatsächlich zum Lernen aufgewendet wird, gefestigt werden. Vorfreude ist die schönste Freude und der stärkste Auslöser von Dopamin ist die Vorfreude. Wenn der präfrontale Kortex einen Sinn darin sieht, Energie in die Konzentration auf eine Arbeit zu investieren, wird er es eher tun, wenn er keine „Abkürzung“ in Form von Medienkonsum zur Verfügung hat.

Wir müssen die Geräte bewusst verwenden: Wir können sie beim Lernen verwenden, dann ist das Dopamin am richtigen Ort. Eine App kann Kompetenzen vermitteln und Fertigkeiten intensiv üben. Das gilt leider nicht für alle Lernapps, doch die Auswahl an Apps, die diese Kriterien erfüllen, wächst stetig. Eine Dokumentation, ein Spiel, kann vielfältig und motivierend Wissen vermitteln. Warum nicht auf digitale Inhalte zurückgreifen? Die Verknüpfung zwischen Motivation und Dopamin ist erfolgsversprechend.

Wenn bei der Nutzung digitaler Medien in schneller Folge das Video / das Spiel gewechselt wird und sichtbar wird, dass gar keine Auseinandersetzung mit dem Inhalt stattfindet, wenn also das Jagdverhalten nach immer neuen Kicks überhand nimmt, wird es schwierig: Die hohen Konzentration an Dopamin kann einen Gewöhnungseffekt auslösen, der sich nachhaltig auf alle Bereiche des Lebens auswirken wird. Die Ursache für starke Ablenkung bis hin zu aggressiven Reaktionen bei scheinbar nichtigen Anlässen liegt bei diesen Menschen wahrscheinlich in dem Ungleichgewicht der Hormone, die unsere emotionale Situation ausmachen: Zu viel Stresshormone, zu wenig Dopamin und damit auch zu wenig Serotonin (das Glückshormon), was emotional stablilsieren könnte.

Was heisst das für den Alltag?

  • Digitale Medien machen nicht automatisch süchtig. Sie haben das Potential dazu. Den Umgang damit muss man lernen.
  • Smartphones und Tablets als Verstärker des Arbeitsverhaltens funktioniert am ehesten dann, wenn vorher Dopamin ausgeschüttet wurde, um die Belohnung zu bekommen. Die Fokussierung bringt die Belohnung.
  • Wird die Dopamin Menge, die ein Mensch am Tag durch digitale Medien erzeugen kann zu hoch, treten langfristig Konzentrationsstörungen auf. «Dopamin Detox» wird in den kommenden Jahren ein wichtiges Thema werden. Die Dopamin Rezeptoren müssen dann wieder auf normale Werte „eingestellt“ werden.

Der Dopamin Tradeoff

In Kürze: Der Dopamin Tradeoff beschreibt, wie das Gehirn zwischen Konzentration und Ablenkbarkeit umschaltet. Daraus kann man Rückschlüsse ziehen über das Lernen und den Umgang mit Konzentrationsstörungen.

Die Entdeckung des Dopamins im Jahre 1955 (eilige Leser können das überspringen)

Im Jahre 1955 experimentierten Wissenschaftler mit Ratten, denen sie Elektroden in das Gehirn einsetzten. Diese Elektroden sendeten schwache elektrische Ströme aus und stimulierten die Aktivität des Gehirns an der gewünschten Stelle auf Knopfdruck. James Olds, einem der Forscher, passierte beim Einsetzen der Elektrode bei einer Ratte ein kleiner Fehler: Er verfehlte die Gehirnregion, die eigentlich für die Untersuchung vorgesehen war. Er traf stattdessen das Septum, eine Region des limbischen Systems.
Was dann folgte, war erstaunlich: Um einen Stromimpuls auf die Elektrode zu erhalten, musste die Ratte Aufgaben erlernen. Die Ratte erlernte alle Aufgaben in Rekordzeit. Sie schien regelrecht süchtig nach den Stromstössen in das Septum zu sein. Schliesslich kam ein Wissenschaftler aus dem Team auf die Idee, der Ratte einen Taster zu geben, mit dem sie sich selber Stromstösse in das Septum geben konnte. Was dann geschah, war noch viel erstaunlicher: Die Ratte drückte wild auf den Taster, schien gar nicht genug bekommen zu können von den Stromstössen. Sie schien keine Müdigkeit mehr zu kennen und keinen Hunger. Erst als man die Stromzufuhr abschaltete, konnte die Ratte schlafen. (Olds, 1955).

Der Dopamin Pegel steigt stetig an, wenn oft genug auf den Taster gedrückt wird

Was war das ursprüngliche Konzept des Dopamins im Verlauf der Evolution? Im Beitrag über Paul Mc Leans Ideen (hier geht es zum Blogbeitrag) konnte sich ein Steinzeitmensch besonders gut auf die Jagd konzentrieren, wenn sein Gehirn Dopamin ins Blut ausgeschüttet hatte. Der Ausstoss von Dopamin erfolgt im Gehirn bevor ein Verhalten gezeigt wird. Dopamin befeuert Verhalten (Sapolsky, 2004, S. 357).

Jetzt kommt eine Komponente dazu, die überraschen wird: Wenn eine Versuchsperson eine Aufgabe erhält und dafür eine Belohnung in Aussicht gestellt bekommt, steigt der Dopamin Level im Blut an. Bekommt diese Testperson aber eine Aufgabe gestellt und es besteht nur die Möglichkeit, dass es eine interessante Belohnung gibt, steigt der Dopamin Level im Blut noch höher. Den höchsten Stand erreicht der Dopamin Level zu der Zeit, in der möglicherweise die Belohnung kommen könnte. Auch wenn sich die Testperson nicht sicher sein kann, dass es auch tatsächlich eine Belohnung geben wird (Sapolsky, 2004, Buchbeschreibung auf Amazon). Damit lässt sich die Eigenschaft des Dopamins schön illustrieren: Dopamin steigert nicht unsere Konzentration, weil wir das wollen. Dopamin steigert unsere Konzentration, weil wir der Meinung sind, dass am Ende für diese Mühe eine Belohnung auf uns wartet.

Die Eigenschaft des Dopamins ist, uns Appetit zu machen. Das Gefühl des Appetits ist stärker als das Sättigungsgefühl nach dem Essen. Dopamin befeuert unsere Konzentration, wenn wir die Vorstellung haben, es gäbe etwas zu gewinnen. In der Folge dessen ist also eines wichtig: Wenn wir lernen sollen, müssen wir wissen wofür. Das macht den Appetit – es definiert den zu erwartenden Gewinn.

Ein Beispiel, dass viele kennen ist die Vorbereitung auf eine Führerscheinprüfung: Niemand wird behaupten, dass die Fragen und die Verkehrsregeln allzu interessant und motivierend sind. Trotzdem lernen jeden Tag viele Menschen eifrig genau diese Regeln und bereiten sich minutiös auf die Prüfung vor. Die Belohnung ist es, die das ermöglicht. Ein Auto fahren zu dürfen.

Wenn Dopamin das Lernen beflügelt, warum gibt es keine Dopamin Bonbons oder Dopamin Energiedrinks? Die Antwort lautet: Die Zusammenhänge im Gehirn rund um das Dopamin sind dafür viel zu komplex. Eine Ahnung von der Komplexität gibt der «Dopamin Tradeoff» (nach Durstewitz/ Seamans, 2002 / link zum Artikel):

Es gibt nach aktuellem Stand der Forschung 5 verschiedene Rezeptoren für Dopamin. Sie finden sich in Ansammlungen der Zellkörpern von Nervenzellen, die bei Kontakt mit Dopamin ganze Kaskaden von Reaktionen unseres Nervensystems auslösen werden. Die wichtigste Ansammlung an Dopamin Rezeptoren heisst Nucleus Accumbens, hier konzentrieren sich viele dieser Rezeptoren (Güntürkün, 2019, S.67).  Der «Dopamin Tradeoff» beschreibt nur das Zusammenspiel zwischen den Rezeptoren «D1» und «D2».

Die Rezeptoren «D1» reagieren auf eine bestimmte Menge an Dopamin Molekülen im Blut. Ist die Konzentration erreicht, sprechen die Rezeptoren an und lösen über das Zusammenspiel zahlreicher Synapsen eine hohe Fokussierung des Gehirns aus. Im Arbeitsspeicher des präfrontalen Kortex wird alles, was zu dem Thema verfügbar ist, geladen. Es findet eine Fokussierung auf das Signal statt, das Rauschen wird unterdrückt. Als Rauschen wird die übliche Grundaktivität des Gehirns und der Wahrnehmung bezeichnet. Als Signal werden Gedanken bezeichnet, die im Bewusstsein deutlich wahrgenommen werden können.

Rezeptoren des Typs «D1» wirken also wie ein Verstärker einzelner Gedanken.

Die Rezeptoren «D2» reagieren auf eine geringere Menge an Dopamin Molekülen. Diese Rezeptoren haben eine gegensätzliche Wirkung: Die Konzentration auf Details findet kaum statt, es gibt wenig Unterschied zwischen Signal und Rauschen. Es ist kein Zustand der Aktivität, aber ein Zustand der Bereitschaft. In diesem Modus ist die Aufmerksamkeit frei, sich auf etwas Neues zu fokussieren, wenn es nötig sein sollte. Bis dahin läuft das Gehirn im Energiesparmodus.

Rezeptoren des Typs «D2» sorgen dafür, dass die Aufmerksamkeit nirgends fokussiert ist.

Dopamin hält nicht lange, es gibt immer nach dem Ausstoss des Dopamins eine stetige Abnahme der Konzentration im Blut. Die Abnahme kann nur durch einen weiteren Ausstoss an Dopamin unterbrochen werden. Kommt dieser Ausstoss nicht, werden die «D2» Rezeptoren unweigerlich aktiv. Es ist nur eine Frage der Zeit.

In einem Arbeitsspeicher, der mit einem bunten Allerlei an Informationen arbeitet, wird es andere Denkprozesse geben, wie in einem Arbeitsspeicher, der sich auf etwas konzentriert. Daher ist es eine gute Idee, nach Wegen zu suchen, die den Ausstoss von Dopamin im entscheidenden Moment anregen. Das würde das Lernen wesentlich erleichtern. Man kann anhand der Eigenschaften des Dopamins auch ableiten, dass die hohe Konzentration nur über eine begrenzte Zeit aufrechterhalten werden kann. Danach flacht die Aufmerksamkeit unwillkürlich ab.

Dopamin und Lernen

Es ist naheliegend, dass Dopamin nicht lange haltbar ist. Es ist daher hilfreich, Dopamin einzusetzen, wenn etwas wirklich verstanden werden soll, wenn zum Beispiel etwas Neues in die vorhandene Struktur im Gedächtnis integriert werden muss, etc. Wenn der Pegel des Dopamins abflacht, ist es eher sinnvoll, Dinge zu tun, die durch häufige Wiederholung im Gehirn vernetzt werden.

Heute ist es eigentlich normal, dass man zu Beginn einer Unterrichtslektion, Fortbildung etc. einen Überblick gibt, was es zu lernen gibt und was das Ziel der Veranstaltung ist. Das kommt den Bedürfnissen des präfrontalen Kortex sehr entgegen. Er braucht eine Struktur, eine Vorstellung, was das für einen Sinn ergeben soll, was der zu erwartende Gewinn sein könnte. Jetzt kann er sich entscheiden, das es sich lohnt, das Thema in den Vordergrund zu rücken.

Aus der Kenntnis über die Wirkung des Dopamins ist es sinnvoll, schon bald mit den wesentlichen Dingen anzufangen, die mit der Veranstaltung vermittelt werden sollen. Der Dopamin Level sollte nach einer kurzen, einleitenden «Einheizphase» am höchsten sein. Es ist zu erwarten, dass der Dopamin Level wieder sinken wird, je weiter die Zeit fortschreitet. Das ist die Zeit, in der eine Festigungs- oder Vertiefungsphase gut passen könnte.

Auch heute noch kann man beobachten, dass versucht wird, über lange Zeitspannen komplexe Inhalte in einem langen, nicht enden wollenden Vortrag zu vermitteln. Die präfrontalen Kortexe der SchülerInnen oder StudentInnen müssen enorme Kräfte haben. Oder sie gehen während des Vortrags ab und zu in einen Energiesparmodus.  

Was man ebenfalls immer wieder sieht, sind Vorträge, die mit langen Begriffsdefinitionen beginnen. Das ist zwar verständlich aus der Sicht eines Referenten. Man will es ja richtig machen, nichts auslassen, was nachher noch von Bedeutung sein könnte. Die Frage ist dabei, wie das aus der Sicht des präfrontalen Kortex aussieht: Sieht er die Notwendigkeit, noch weiter Dopamin auszuschütten, um dem Vortrag aufmerksam zu folgen? Es wäre auch folgende Variante denkbar: Wenn die Zuhörer noch wach und aufmerksam sind und der Dopamin Level hoch ist, werden die Begrifflichkeiten definiert. Das wird als wenig motivierend empfunden, der Dopamin Spiegel sinkt ab. Wenn die eigentlichen Zusammenhänge erörtert werden, hört kaum noch jemand zu.

Der Zusammenhang ist wichtiger als die Definition, das Gehirn muss einen Zusammenhang haben, um zu wissen, wo das Gehörte hin gespeichert werden muss. Daher möchte unser präfrontaler Kortex erst den Zusammenhang, dann beschäftigt er sich eher mit den Details, wie z.B. Definitionen.

Leistung ist im Gehirn nicht unendlich verfügbar. Es muss einen Grund geben, wenn Leistung mobilisiert wird. Über die Bereitstellung von Ressourcen entscheidet im Gehirn vor allem eine Instanz: Der Zugang zum Dopamin liegt im präfrontalen Kortex.

Was heisst das für den Alltag?

  • Dopamin ist der Schlüssel zur maximalen Gehirnaktivität. Die maximal mögliche Anzahl an neuen Synapsen wird beim Lernen mit Hilfe von Dopamin erreicht.
  • Auf eine Phase von hoher Dopamin Konzentration folgt eine Phase von niedriger Dopamin Konzentration. Lernvorgänge müssen unterteilt sein in «Sprints», bei denen viel Gehirnaktivität nötig ist und ruhigen Phasen, bei denen mit wenig Gehirnaktivität gearbeitet werden kann.
  • Beim «Sprint» können neue Kompetenzen erworben werden. In Ruhephasen können sie eher angewendet oder die Anwendung geübt werden.
  • Die Erwartung eines Gewinns setzt Dopamin frei. Der Gewinn selbst setzt kein Dopamin mehr frei. Der Gewinn dient nur dazu, das gezeigte Verhalten zu bestätigen für ein nächstes Mal.
  • Erfolgreiches Lernen macht ein zufriedenes Gefühl. Das Gehirn wird es immer wieder tun wollen. Manche Menschen wissen nicht, wie sie erfolgreich lernen können. Sie erleben das zufriedene Gefühl nicht, stattdessen erleben sie Frustration. Lernen wird so zu einer belastenden Erfahrung.

Februar 2025 Andreas Illenberger

Die Evaluationsschlaufe

der präfrontale Kortex, Teil 2

In Kürze:

Aus der Geschichte von Phineas Gage können wir erahnen, wie entscheidend unsere Persönlichkeit vom präfrontalen Kortex beeinflusst wird. In diesem Teil möchte ich darauf eingehen, wie der präfrontale Kortex unser Bewusstsein gestaltet. Das Verständnis davon ermöglicht uns, die Interaktion mit anderen Menschen besser an die Bedürfnisse ihrer präfrontalen Kortexe anzupassen.

Aus Frankreich kommt eine Theorie des Bewusstseins, die für das Verständnis von uns selbst und den Menschen, mit denen wir täglich zu tun haben, einige Konsequenzen hat.

Man kann leicht an sich selbst beobachten, dass es im Gehirn eine Art Autopilot gibt. Immer wenn wir etwas machen, dass wir oft machen, geht das weitgehend automatisch.

Das beste Beispiel ist Autofahren: Ein Autofahrer kann nach kurzer Zeit nicht mehr beschreiben, was er eben noch gesehen hat, das Bild ist schon wieder weg. Trotzdem ist dieser Autofahrer (hoffentlich) in der Lage, eine Gefahrensituation zu erkennen und bewusst eine Reaktion darauf einzuleiten. Wie geht das?

S. Dehanae und L. Naccache (2001), zwei französische Gehirnforscher, haben dafür folgende Erklärung: Es gibt im präfrontalen Kortex eine Instanz, die sammelt Informationen: Alle Wahrnehmungen der Sinne werden dort aufgenommen, der Zustand der Körpermotorik, Informationen aus allen Teilen des limbischen Systems über die emotionale Befindlichkeit, Erinnerungen, etc. Der eintreffende Datenstrom wird in einer ständigen Evaluationsschlaufe überprüft. Wird die vorgefundene Situation und die eigene Interaktion darin in dieser Evaluationsrunde als „nicht bemerkenswert“ eingestuft, verfällt die Information direkt wieder. Es gibt schon wieder neue Daten, die hereinkommen und bearbeitet werden müssen.

Dieser Evaluationsprozess findet nach Dehanae und Naccache (2001) ausserhalb unseres Bewusstseins statt. Das bedeutet, dass es Dinge gibt, die nicht bewusst von uns wahrgenommen werden: Es ist all das, was nicht im Arbeitsspeicher landet.

Das könnten auch die Hintergründe und Motivationen für unser eigenes Verhalten sein, weil sie irgendwo in der Erinnerung, ausserhalb unseres Bewusstseins, gepseichert wurden. Unser eigenes alltägliches Verhalten macht für unseres präfrontalen Kortex Sinn. Etwas, dass schlüssig erscheint – also einen Sinn hat – ist in der Evaluation nicht auffällig.

Unser eigenes Verhalten und alles, was dazu geführt hat, dass wir es so zeigen, findet in der Regel ausserhalb dieser Evaluationsschlaufe statt. Es kommt nicht in den Arbeitsspeicher. Im Arbeitsspeicher landen eher die Reaktionen, die wir auf unser Verhalten wahrnehmen. Im Arbeitsspeicher landet das, was uns nicht schlüssig erscheint – etwas unerwartetes. Etwas, von dem wir vielleicht den Sinn verstehen wollen. Etwas, dass uns Inkohärent macht.

Im unten dargestellten Beispiel möchte sich jemand eine Telefonnummer merken. es gibt eine emotionale Erregung aus dem limbischen System: «Merk dir ja diese Nummer, das ist wichtig! » Nun muss die Aufmerksamkeit fokussiert werden.

Der präfrontale Kortex schickt ein Signal an das limbische System, in eine Region, die manchmal als die «schwarze Substanz» bezeichnet wird. Diese Region schüttet Dopamin aus. In der direkten Folge werden Dopamin Rezeptoren das gesamte Nervensystem auf das Problem fokussieren. Jetzt ist die Information im Arbeitsspeicher. Alles, was an Daten verfügbar ist, wird nun analysiert und vom Bewusstsein bearbeitet. Die Übertragung der Daten in den Arbeitsspeicher stellt nach dieser Theorie das Bewusstsein her.

Um die Telefonnummer im Gedächtnis speichern zu können, muss sich die Person in unserem Beispiel Mühe geben: Wahrscheinlich wiederholt sie die Nummer in Gedanken immer wieder, um das Gedächtnis zu überzeugen, dass es diese Nummer wirklich speichern muss.

Im Zustand der Kohärenz (mehr dazu im Beitrag „Kohärenz ), wenn also für das Gehirn alles ohne Anstrengung abläuft, gibt es eine geringe Auslastung des Arbeitsspeichers. Das ist ein effizienter Mechanismus, denn das Gehirn muss Kapazität haben, wenn wirklich ein Problem auftritt. Es ist nicht nötig und nicht gesund, immer auf voller Leistung zu laufen.

Durch die geringe Auslastung gibt es keine Notwendigkeit, grosse Mengen an Dopamin auszuschütten. Die Fokussierung des Bewusstseins ist in der Folge gering. Dinge, die unter dem Einfluss von Dopamin immens wichtig erschienen, sind nun mit anderen Details der bewussten Wahrnehmung gleichgestellt. Die Masse der eintreffenden Informationen gelangt gar nicht erst in den Arbeitsspeicher und wird damit nicht bewusst wahrgenommen. So geschieht es beim Autofahren: Wir erinnern und bruchstückhaft an einzelne Details der Fahrt. Vor allem die Dinge, auf die wir Aufmerksamkeit richten mussten, bleiben in Erinnerung. Der Rest der Fahrt gerät weitgehend in Vergessenheit.

Das hat Konsequenzen für das Verständnis des Verhaltens von Menschen: Grosse Teile des alltäglichen Verhaltens finden ausserhalb des Bewusstseins statt. Wir verhalten uns so, weil wir es schon immer so gemacht haben. Der Beginn, etwas anders machen zu wollen, liegt nach dieser Theorie des Bewusstseins in dem bewussten Vorgang, sich möglichst viele Informationen – oder Einsichten – über den Arbeitsspeicher in das Bewusstsein zu holen.

Wenn das eigene Verhalten für den präfrontalen Kortex Sinn macht, gibt es für ihn eigentlich keinen Grund, das zu reflektieren.

Wenn man den Gedanken weiterführt, stösst man wieder auf die Strategien, die der präfrontale Kortex verfügbar hat, um möglichst sparsam aus dem Zustand der Inkohärenz wieder in den Zustand der Kohärenz zu kommen (mehr dazu im Beitrag „Kohärenz ).

Es gibt demnach zwei Faktoren, die wir beachten müssen, wenn wir die Arbeit des präfrontalen Kortex zu beeiflussen versuchen:

  1. Es muss etwas sein, dass in der Evaluationsschlaufe wahrgenommen und in den Arbeitsspeicher geladen wird.
  2. Es kann sein, dass der präfrontale Kortex auf die Inkohärenz mit einem Verhaltensmuster reagiert, mit dem er möglichst schnell Kohärenz herstellen möchte.

Mit dem präfrontalen Kortex zu arbeiten ist ein spannendes Thema, für das ich noch weitere Blogbeiträge brauchen werde, denn das Thema ist umfangreich. Im nächsten Beitrag werden wir die Faktoren untersuchen, die den präfrontalen Kortex ansprechen und motivieren können.

Was heisst das für den Alltag?

  • Im Alltag läuft das Gehirn oft in einer Art Autopilot Modus
  • Bewusst wird Verhalten erst, wenn es in den Arbeitsspeicher gelangt. Dazu muss es in der Evaluationsschlaufe als wichtig markiert werden. Reaktionen, die der Evaluationsschlaufe mitteilen können, dass in den Arbeitsspeicher muss, haben eine gewisse Intensität, damit sie in der Wahrnehmung herausstechen.
  • Inkohärenz ist die Chance auf langfristige Auseinandersetzung. Verhaltensänderung und Persönlichkeitsentwicklung sind die Folge von wahrgenommener Inkohärenz.
  • Will man ein Verhaltensmuster wirklich ändern, muss das Verhalten eine wiederkehrende Inkohärenz auslösen. Man muss sich bewusstmachen, dass dies für alle Beteiligten eine kräftezehrende und intensive Arbeit ist.

Januar 2025 Andreas Illenberger

weiterführend:

Dehanae und Naccache (2001): Towards a cognitive neuroscience of consciousness: Basic evidence and a workspace framework.

Die Geschichte von Phineas Gage

der präfrontale Kortex, Teil 1

Im Zuge meiner Recherche über die Zusammenhänge des menschlichen Gehirns bin ich auf diese eindrückliche Geschichte gestossen, die ich hier teilen möchte. Antonio Damasio, ein bekannter amerikanischer Hirnforscher hat sie veröffentlicht:

Im Sommer 1848 war Phineas Gage damit beschäftigt, Eisenbahngleise für eine amerikanische Eisenbahngesellschaft zu verlegen. Er war 25 Jahre alt und hatte es schon zum Vorarbeiter eines grossen Bautrupps gebracht. Er wurde von den Direktoren der Eisenbahngesellschaft als tüchtiger und fähiger Mann beschrieben. Er erledigte seine Arbeit überaus gewissenhaft und verantwortungsvoll. 
Bei der Vorbereitung einer Sprengladung kam es eines Tages aber zu einem schrecklichen Unglück: Die Sprengladungen wurden mit Hilfe einer Eisenstange in vorgebohrte Löcher geschoben. Ein Funke zündete die Sprengladung viel zu früh und die Eisenstange schoss aus dem Bohrloch heraus. Sie drang in Phineas Gages´ Wange ein und trat aus seinem Schädel wieder aus. 30 Meter weiter fiel sie zu Boden. Blut und ein Teil von Phineas Gage’s präfrontalem Kortex klebten daran.
Zunächst sah es aus wie ein Wunder, denn Gage überlebte das schreckliche Unglück. In seinem Schädel klaffte ein grosses Loch und Teile seines Hirns fehlten, aber er erholte sich rasch (hier gibt es Fotos von Phinaes' Verletzungen auf Wikipedia).
Nach der akuten Phase seiner Hirnverletzung wurde aber schnell klar, dass etwas nicht stimmte: Ein Arzt notierte, Gage sei «launisch, respektlos, flucht manchmal auf abscheulichste Weise, was früher nicht zu seinen Gewohnheiten gehörte, erweist seinen Mitmenschen wenig Achtung, reagiert ungeduldig auf Einschränkungen und Ratschläge, wenn sie seinen Wünschen zuwider laufen, ist gelegentlich entsetzlich halsstarrig und doch launenhaft und wankelmütig, macht ständig Zukunftspläne, die er, kaum gefasst, schon wieder fallenlässt…» (Damasio, 2010, S.30).
Seine Anstellung bei der Eisenbahn verlor er schon bald, weil er nicht mehr in der Lage war, seine Führungsaufgabe auszuführen. Sein ungezügeltes Temperament und seine Impulsivität machen es ihm schwer, eine Arbeit längerfristig auszuführen. Irgendwann landete er bei einem Zirkus, der kuriose Menschen zur Schau stellte. Es war ein stetiger Abstieg. Der Mann, der in gesundem Zustand eine glänzende Zukunft vor sich hatte, wurde über die Jahre zu einem krakeelenden Trinker, so wird es zumindest in der Überlieferung dargestellt. Schliesslich starb er, 13 Jahre nach dem Unglück, an starken epileptischen Anfällen – vermutlich eine Folge seiner Verletzung.

Die Geschichte von Phineas Gage zeigt , welche herausragende Stellung der präfrontale Kortex in der Steuerung des Verhaltens haben muss. Es gibt noch andere Beispiele von Menschen, die im Bereich des präfrontalen Kortex einen Tumor hatten und daraufhin gleiche oder zumindest sehr ähnliche Symptome zeigten.

Aus der Evolution des Menschen lässt sich ableiten, dass der präfrontale Kortex zuerst die Funktion hatte, das Sozialverhalten der Menschen in der Gruppe untereinander zu steuern. Viele Errungenschaften der menschlichen Kultur setzten voraus, dass jemand sich angemessen verhielt und die Regeln und Gebräuche in einer Gemeinschaft einhalten konnte. (Sapolsky, 2011/2, min 23.00, f.)

Im präfrontalen Kortex laufen die Informationen über die Situation, für die ein angemessenes Verhalten benötigt wird, zusammen. Dabei wird er stark vom limbischen System beeinflusst, fast jede Situation ist auf die eine oder andere Art emotional beladen. Es besteht eine sehr hohe Dichte an Verknüpfungen von allen Bereichen des limbischen Systems zum präfrontalen Kortex, die direkten Einfluss auf das Verhalten haben.          

In den folgenden Artikeln werde ich die wichtige Arbeit des präfrontalen Kortex weiter beleuchten.

Dezember 2024 Andreas Illenberger

weiterführende Artikel:

Spektrum der Wissenschaft: Phineas Gage

Neuropsychologischer Ratgeber: Was ist Persönlichkeit? Das Fallbeispiel Phineas Gage

GEO: Eine Stange durchschlug seinen Schädel: Warum der Fall von Phineas Gage Medizingeschichte schrieb

Kohärenz

In Kürze: 
Kohärenz entspricht dem Ruhezustand eines Gehirns. Inkohärenz ist der Aktivitätszustand eines Gehirns, wenn es Probleme lösen muss. Das Gehirn versucht, möglichst schnell aus der Inkohärenz wieder herauszukommen.

Der Begriff der Kohärenz wird vor allem von dem deutschen Hirnforscher Gerald Hüther verwendet. Auf Youtube finden sich zahlreiche Vorträge von ihm, es lohnt sich immer, sich einen seiner Vorträge anzusehen.

Kohärenz bezeichnet den Zustand, in dem das Gehirn zufrieden ist. Alles ist gut, die Gehirnaktivität kann auf einem tiefen Level geleistet werden (Hüther, 2019, min 17.40, f.). Eine Anforderung versetzt das Gehirn in den Zustand der Inkohärenz, das Aktivitätsniveau geht hoch, der Energieverbrauch steigt und die Erregerströme in den Hirnzellen fliessen in schneller Frequenz. Ein Problem muss gelöst werden!

Inkohärenz ist nicht so angenehm.

Im Gehirn wird nun versucht, eine Lösung zu finden. Zuerst untersucht das Gehirn, ob es bereits eine Strategie gespeichert hat, die erfolgsversprechend sein könnte. In der Regel ist das der Fall, so dass es keine zusätzlichen Anstrengungen braucht, um noch einen neuen Weg zu entwickeln. Nach Gerald Hüther (2019, min 17.40, f.) wird das Gehirn immer zuerst versuchen, einen möglichst energiesparenden Weg zu finden.

Dieses Verhalten lässt sich wieder aus der Entwicklungsgeschichte der Menschheit erklären: Schon im Ruhezustand verbraucht das menschliche Gehirn etwa 20% der Körperenergie. Wird das Gehirn in Arbeit versetzt, so wird daraus schnell mehr. Die Strategie, möglichst eine schnelle Lösung herbeizuführen soll sicherstellen, dass nicht mehr Energie als nötig verbraucht wird. Es war in der Geschichte der Menschheit so, dass Menschen nicht jederzeit über ausreichende Energiereserven verfügen. Der Mangel an Energie war über Jahrtausende eine tägliche Realität. In diesem Kontext machte es tatsächlich Sinn, das Gehirn möglichst sparsam arbeiten zu lassen.

Drei Aspekte des Kohärenzgefühls

Wie definiert sich der Zustand der Kohärenz? Es gibt drei zentrale Aspekte des Kohärenzgefühls (nach Jegotka, Luitjens, 2016, S.45):

  • Verstehbarkeit: Verstehen kann sich dann entwickeln, wenn die Erfahrungen der eigenen Lebensumwelt zu einem gewissen Teil vorhersehbar sind, eine nachvollziehbare Struktur und Ordnung haben. Dies ist der kognitive Aspekt des Kohärenzgefühls.
  • Handhabbarkeit: In welcher Weise können Menschen sich mit ihrer Umwelt in Beziehung setzen? Wie nehmen sie die Bedeutung der Situation wahr? Haben sie Zugang zu Ressourcen? Sind sie in der Lage, diese zu nutzen und die Anforderungen durch eigenes Handeln aktiv zu bewältigen? Das ist der Verhaltensaspekt des Kohärenzgefühls.
  • Bedeutsamkeit: Gibt es Ziele oder Anforderungen, die als lohnende Herausforderung empfunden werden? Gibt es Werte oder Dinge, für die sie sich einsetzen, weil sie ihnen ganz besonders wichtig sind? Das ist der motivationale Aspekt des Kohärenzgefühls.

Inkohärenz auflösen

Die Anforderung, sich neues Wissen anzueignen, versetzt das Gehirn auch in Inkohärenz. Es ist ein Zustand des Ungleichgewichts, der etwas unangenehm ist. Das Gehirn muss versuchen, das zu Lernende in das Gedächtnis zu integrieren oder es findet andere Wege, die Anforderung möglichst energieeffizient zu bearbeiten.

3 mögliche Szenarien sollen das Phänomen illustrieren. Stellen Sie sich vor, es steht eine Prüfung an. Sie müssen sich darauf vorbereiten:

Lernen

Option 1


Manche Menschen haben  eine Lernmethode zur Verfügung. Im folgenden grauen Abschnitt wird als Beispiel die Feynman Methode dargestellt. Es ist eine Lernmethode, die damit arbeitet, das Gehirn immer wieder bewusst in kürzere Phasen der Inkohärenz zu versetzen: Sie versuchen, die Inhalte in eigenen Worten zusammen zu fassen und merken beim Zusammenfassen, was Sie noch nicht ganz verstanden haben. Sie verdichten das Thema immer weiter, bis sie ein solch umfassendes Verständnis von dem Thema haben, dass sie die wesentlichen Punkte in 2 – 3 Sätzen zusammenfassen können. Das Gefühl der Kohärenz stellt sich ein, das Gehirn ist zufrieden mit dem Ergebnis.

Richard Feynmans Lernmethode (eilige Leser können das überspringen)

«if you want to master something, teach it! The more you teach, the better you learn.»

Eine der interessantesten Persönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts, ein Pionier der modernen Quantenphysik. Im Jahr 1965 erhielt er den Nobelpreis für seine Arbeiten zur Quantenelektrodynamik.
Feynman zeichnete sich als Dozent durch sein Talent aus, schwierige Zusammenhänge in einer klaren und bildhaften Sprache darstellen zu können. Es gibt auf Youtube einige verschwommene Aufnahmen aus der 80er Jahren, in denen er zu sehen ist. Man spürt die Begeisterung dieses Mannes für die Wissenschaft und den Drang, möglichst viele Menschen damit anzustecken.
Die Feynman Methode, die er neben seiner Tätigkeit als Quantenphysiker auch noch entwickelt hat, besteht aus 4 Schritten. Wichtig ist zum Verständnis, dass es für den Lernerfolg sehr relevant ist, ob Wissen kurzzeitig als deklaratives Wissen abgespeichert werden soll, oder ob es langfristig als verwurzeltes, also im Gehirn vernetztes Wissen abgespeichert werden soll. Nur wenn etwas wirklich verstanden wurde, kann man nach Feynmans Vorstellung auch langfristig etwas damit anfangen.
 
Feynmans Methode sieht 4 Schritte vor (Robins, 2012):

Schritt 1: Erkläre das Thema komplett. Verwende dabei möglichst keine Fremdworte. Man kann es für sich selber erklären, aufschreiben oder jemand anderes erklären, das wäre natürlich besonders ideal.


Schritt 2: Notiere fehlendes Wissen. Anhand der Schwierigkeiten beim Erklären in Schritt 1 zeigen sich schnell Wissenslücken. Eventuell gibt es Begriffe, die nicht klar verstanden wurden oder ganze Zusammenhänge sind unklar. Alles muss notiert werden.


Schritt 3: Schliesse die Wissenslücken. Mit den Notizen lässt sich sehr gezielt recherchieren, welches Wissen noch benötigt wird. Alle beim Erklären auftretenden Probleme sollten nun genauer recherchiert werden.


Schritt 4: Erkläre das Thema komplett. Der Kreis beginnt von vorne, mit grosser Wahrscheinlichkeit werden nun wieder vereinzelte Wissenslücken und Unsicherheiten auftreten. Der Kreis beginnt wieder von vorne und wird wiederholt, bis eine schlüssige Erklärung des Themas vorliegt. Jetzt ist das Thema im Wissen des Erklärenden fest verankert.

Job erledigen

Option 2


Viele Menschen haben im Lauf ihres Schülerlebens die Strategie erworben, möglichst viel Details des Themas auswendig zu lernen und dann bei passender Gelegenheit hin zu schreiben. Das funktioniert im Alltag oft.

Auswendig gelerntes Wissen wird schon nach wenigen Tagen wieder vergessen, weil die Verknüpfungen der Synapsen nach der Prüfung nicht mehr benötigt werden. Schon nach wenigen Wochen wird das Gelernte kaum noch abrufbar sein.

Dennoch: Der Job ist erledigt, die Prüfung kann voraussichtlich erfolgreich bewältigt werden. Das Gefühl der Kohärenz stellt sich ein, das Gehirn ist zufrieden.

Vermeiden

Option 3


Manche Menschen haben vielleicht gar keine erfolgsversprechende Strategie, weil ihr Gehirn keinen Ansatzpunkt finden kann, um das Problem bearbeiten zu können. Um der Überforderung zu entgehen, wählt das Gehirn den Weg, das Problem zu verschieben oder zu verdrängen und stattdessen viel lieber ein Videospiel zu spielen, bei dem die Erfolgsaussichten wesentlich besser sind, als bei der Prüfung.

Es ist eine bedürfnisorientierte Lösung, der langfristige Effekt ist nicht positiv.

Der Wunsch nach Kohärenz ist jedoch stärker als der mögliche Gewinn, der aus der Perspektive dieses Menschen unerreichbar fern scheint. Das Gefühl der Kohärenz stellt sich beim Spielen ein, das Gehirn ist beschäftigt und fokussiert sich auf das Spiel. Kohärenz kann auch so aussehen.

Kohärenz und unser Verhalten

Dieses Grundprinzip der Kohärenz hat nicht nur Einfluss auf unser Lernverhalten: Es ist ein Grundprinzip allen Verhaltens. Hier eine mögliche Situation in unserem Alltag:

Jemand spricht Sie an und sagt «So wie du eben mit mir geredet hast, das hat mich gestresst». 

Das war eine Rückmeldung ausserhalb des Normbereichs. Das löst Inkohärenz in uns aus. Was können wir nun tun, um diese Inkohärenz wieder in Kohärenz zu verwandeln?

Annehmen?

Option 1


Sie können die Szene, auf die sich die Kritik bezieht, in Erinnerung rufen und analysieren. Vielleicht müssen Sie rückfragen, weil die Situationen Ihnen gar nicht so präsent ist. Haben Sie sich verletzend verhalten? Was hat gestresst? Vielleicht gab es ein Missverständnis? Möglicherweise gelingt Ihnen, die Perspektive Ihres Gegenübers einzunehmen. Von dort sieht die Situation anders aus. Nun können Sie Optionen suchen, um die Situation zu bereinigen und zu lernen.

Da Sie selbst durch Kritik gestresst werden, muss Ihr Gehirn bei diesem Ansatz Energie aufwenden, um ruhig zu bleiben und noch weitere Energie, um diese Analyse durchzuführen. Dieser Weg, Kohärenz herzustellen ist sicher nicht der sparsamste.

Ablehnen?

Option 2


Sie könnten Kohärenz herstellen, indem Sie die Bewertung der Situation ändern: «Die soll sich doch nicht so haben, meine Güte, ist die empfindlich!» und schon sind Sie dabei, im Eiltempo Kohärenz herzustellen. Das Verhältnis zu der Person, die Sie kritisiert, ist nun etwas getrübt. Durch die Abwertung der Person passt das Bild für das Gehirn aber wieder, denn es hat soeben erfolgreich Kohärenz hergestellt.

Die Haltung „Alle sind doof, ausser ich“ ist daher aus der Sicht der Energiebilanz des Gehirns eine sinnvolle Option, weil sie den Energieverbrauch auf ein Minimum reduziert.

Personen, die kritisiert werden, reagieren manchmal gar nicht so konstruktiv und offen, wie es in einer idealen Welt wünschenswert wäre. Die wenigsten Menschen werden gerne kritisiert. Sind diese Menschen denn nicht froh um Hinweise, wie sie sich weiter entwickeln könnten? Die Antwort ist in vielen Fällen: Nein, sie sind nicht froh. Sie schätzen Kritik nicht. Das passt nicht zu ihrem Wunsch nach Kohärenz.

Selbstreflexion und die Option, das Verhalten zu überdenken ist für das Gehirn ein möglicher Weg. Es wäre ein Weg, der für das Gehirn vielleicht energieintensiv und anstrengend wäre. Wenn wir uns nicht bewusst dafür entscheiden, sucht das Gehirn eher eine schnelle Lösung, die weniger energieintensiv ist.

Im Alltag können wir beobachten, was Menschen unternehmen, um Inkohärenz in Kohärenz zu verwandeln. Es gibt viele Möglichkeiten, da sind Menschen sehr verschieden. Das Grundprinzip, der Wunsch nach Kohärenz, ist allen Menschen gemeinsam.

Andreas Illenberger, Dezember 2024

Paul Mc Lean – Die drei Teile des Gehirns

oder: Warum wir auf der Ebene des Gehirns auch heute noch viel Ähnlichkeiten mit Steinzeitmenschen haben.

Eines ist klar: Ein Gehirn hat wesentlich mehr als 3 Teile. Die Idee der Dreiteilung des Gehirns stammt von dem amerikanischen Forscher Paul McLean (1990, S.13f) und bezieht sich auf die evolutionäre Entwicklung des Gehirns. Da er Ende der 50er Jahre und in den 60er Jahren forschte, hatte er nicht die Möglichkeiten, die den heutigen Forschern zur Verfügung stehen. Dennoch legte er mit seinen Theorien den Grundstein zu einem Verständnis des Gehirns, das heute noch aktuell ist. Man kennt mittlerweile viel mehr Details und Zusammenhänge als damals, aber McLeans Idee von der Dreiteilung des Gehirns ist ein guter Ausgangspunkt, um sich dem Thema anzunähern:

Die drei Teile des Gehirns nach Paul McLean (Klein- und Stammhirn gehören der Einfachheit halber zusammen)

Das Stammhirn

In Kürze: 
Das Stammhirn ist für automatisierte Funktionen zuständig. Es sorgt dafür, dass der Körper möglichst funktionsfähig ist. Es ist auch die Schaltzentrale zwischen Körper und Geist.

Das Stammhirn ist der evolutionär älteste Gehirnteil. Es ist bei sehr vielen Tieren ähnlich aufgebaut und verrichtet ähnliche Funktionen. In der Embryonalentwicklung eines Menschen lässt sich in den ersten Tagen und Wochen kaum ein Unterschied erkennen zwischen dem Gehirn eines Reptilienembryos und dem eines Menschenembryos. Die Differenzierung des Gehirns findet mit zunehmenden Wachstum des Embryos statt. Schon bald lässt sich ein deutlicher Unterschied zum Reptilienembryo ausmachen: Die Ausbildung eines wesentlich grösseren Grosshirns.

Im Stammhirn sind alle automatisierten Funktionen und Regelkreisläufe angesiedelt. Die Funktion der Atmung, Öffnung der Schweissdrüsen, wenn es zu warm ist, Aktivierung von Verdauungssäften, Erweiterung der Blutgefässe wenn nicht genug Glucose in die Zellen kommt, etc. Es handelt sich – vereinfacht – um ein grosses Zentrum in dem die Körperfunktionen und ihr Zusammenspiel in zahlreichen Regelkreisläufen überwacht und gesteuert werden. Das Stammhirn ist die Schaltzentrale des vegetativen Nervensystems. Der britische Physiologe John Langley hat es vor fast 100 Jahren das autonome Nervensystem genannt und das trifft die Haupteigenschaft sehr gut: Es ist kaum bewusst durch unseren Willen, der im Grosshirn angesiedelt ist, kontrollierbar. Es ist weitgehend autonom.

Im Stammhirn ist bereits ein Mechanismus angelegt, der im Verlauf der Evolution noch grosse Bedeutung bekommen soll: Das Stammhirn hat neben der Möglichkeit, Signale über Nervenbahnen auszutauschen, eine zweite Option: Chemische Botenstoffe, die ins Blut abgegeben werden.

Schematische Darstellung: Neurotransmitter kommen als Hormone in die Blutbahn

Zu der Funktion von Synapsen gehörte schon immer die Abgabe von chemischen Botenstoffen. Durch eine Steigerung der Konzentration können diese Botenstoffe nicht nur die benachbarte Synapse anregen. Die chemischen Botenstoffe können auch in so hoher Konzentration ausgeschüttet werden, dass sie in den Blutkreislauf gelangen. Sie können über die Blutbahnen auch noch die letzte Zelle erreichen, was für Nervenzellen manchmal schwierig wäre. Dort können diese Botenstoffe, Hormone genannt, ganze Prozeduren an Reaktionen von Körperzellen ablaufen lassen.

Das beste Beispiel dafür ist der Ablauf einer Schwangerschaft: Hier lässt sich das Zusammenspiel an unterschiedlichen Hormonen, die ausserhalb der bewussten Wahrnehmung ausgeschüttet werden, auf eindrucksvolle Weise darstellen. Wie ein grosses Orchester dirigieren Hormone die Zusammenarbeit der Zellen des Körpers. Jeder Teil des Körpers weiss wie von Zauberhand, was zu tun ist.

Neben den Funktionen der Regulation vieler Körperfunktionen gibt es im Stammhirn noch eine kleine Region mit einem seltsamen Namen: Das Periaquäduktorale Grau, in der Wissenschaft oft als PAG abgekürzt. Grau sind vor allem die Zellkerne von Nervenzellen. Das ist ein Hinweis, dass es sich hier um eine grössere Ansammlung von Nervenzellen handelt, die ihre Steuerzentralen – die Zellkerne – in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander haben. Diese Ansammlung von Nervenzellen hat einen wichtigen Einfluss auf die Gehirnregion, die direkt an das Stammhirn angrenzt: Das limbische System. Das PAG ist ein wichtiger Umschaltpunkt zwischen Körper und Geist, sein Einfluss ist der Ausgangspunkt für viele Emotionen. Das limbische System greift als nächstes Glied in der Kette das Thema Emotionen auf und entwickelt die Auswirkungen der Emotionen weiter.

Das limbische System

In Kürze: 
Das limbische System lenkt unser emotionales Empfinden. Es ist vielfältig mit dem Stammhirn und dem Grosshirn verbunden und durch seine zentrale Position fast immer an den Denkprozessen des Gehirns beteiligt. Das limbische System beeinflusst unser Verhalten durch den Ausstoss von Hormonen stark. Das wird anhand der drei wichtigsten Hormone beschrieben.

Auf die Reptilien folgten in der Geschichte der Evolution die Säugetiere und die entwickelten eine Region des Gehirns erheblich weiter: Das Mittelhirn. Mit zunehmenden Verständnis der Zusammenhänge im Gehirn wurde die Region des Mittelhirns noch um einige zusammengehörende Bereiche erweitert. Der daraus entstandene Verband an verschiedenen Gehirnregionen wurde zusammenfassend limbisches System genannt. Dieser Teil des Gehirns ermöglichte es erstmals, etwas zu lernen. Diese Region war zu Lernprozessen fähig, das war neu.

Die Steuermechanismen, die sich dabei entwickelten waren eine Weiterentwicklung schon bekannter Mechanismen aus dem Stammhirn: Die Verwendung von Hormonen als schnelle, wirksame Botenstoffe wurde ergänzt mit der Fähigkeit, Zusammenhänge durch Bildung neuer Synapsen erlernen zu können. Allerdings war dieser Teil des Gehirns noch weit entfernt von den logischen Denkoperationen, die wir heute leisten können. Das limbische System hatte eine ganz andere Arbeitsweise: Es verknüpfte Orte, Situationen und Erlebnisse mit Gefühlen.

Über Gefühle lernen, mit Hilfe von Gefühlen lernen, das Richtige zu tun. Es ist einer der Orte, an dem unsere Intuition zu Hause ist. Im limbischen System finden wir Antworten auf viele Phänomene, die sich im Umgang mit Menschen beobachten lassen. 3 Beispiele können das exemplarisch verdeutlichen:

Oxytocin

Oxytocin löst bei einer Schwangerschaft die Wehen aus und unterstützt die Milchbildung der Brust. Man kann im Blut von Müttern messen, dass beim Stillen eines Babys eine grosse Menge an Oxytocin ausgestossen wird.

Die Funktion des Hormons Oxytocin zur Unterstützung der Schwangerschaft ist in der evolutionären Entwicklung sehr alt. Im Verlauf der Entwicklung der Menschen bekam das Hormon noch weitere Funktionen: Es wird heute auch das «Kuschelhormon» genannt, weil es die Bindung von Menschen durch ein gutes Gefühl unterstützt.

Die Bindung zu Familienmitgliedern und der Gruppe, zu der man zugehörig ist, wird durch ein angenehmes Gefühl verstärkt. Feste Zugehörigkeit und starke Bindung zu jemanden werden meist als Glücksmomente empfunden. Oxytocin hat in der Partnerschaft und besonders beim Sex eine zentrale Rolle. Immer, wenn Bindung verstärkt werden soll, steigt der Oxytocin Anteil im Blut an.

Im Verlauf der Evolution der Säugetiere erwies es sich als Überlebensvorteil, wenn Familien und später ganze Stämme miteinander kooperierten. So konnten sie Feinde wirkungsvoller bekämpfen und ihren Nachwuchs besser schützen. Alle Primaten haben ein sehr ausgeprägtes Bedürfnis nach Beziehungen, nach Zusammenhalt in der Gruppe, nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

Das limbische System des Gehirns bekam die Möglichkeit, Personen und Orte zu speichern, Erinnerungen anzulegen und diese mit dem Ausstoss von Hormonen zu verknüpfen. Der Ausstoss des Glückshormons und Personen sind also im Gehirn miteinander verbunden. Schon der Gedanke an eine Person, zu der eine starke Bindung besteht, vermag den Ausstoss von Oxytocin anzuregen.

Ob Hypophyse (Oxycotin) oder Amygdala (Adrenalin) aktiviert werden, hat auf die Stimmung einen grossen Einfluss

Heutige Menschen finden zwar andere Lebensbedingungen vor, als ihre Vorfahren vor tausenden von Jahren. Wir sind keine Stammeskrieger und nur noch selten in einer Grossfamilie zu Hause. Die Grundlagen im Gehirn funktionieren aber heute noch wie bei unseren Vorfahren. Oxytocin treibt die Menschen an. Bindung ist eines der wichtigsten Bedürfnisse von fast allen Menschen.

Adrenalin

Das Verhalten in Gefahrensituationen wird durch Hormonausschüttung unterstützt: Kämpfen, Fliehen oder Totstellen? Das entscheidet sich im Bruchteil einer Sekunde. Eine spezielle Region im limbischen System unterstützt diese Angstreaktion und koordiniert das Verhalten in Extremsituationen. Sie wird Amygdala genannt.

Wenn sie eine Gefahrensituation identifiziert, löst die Amygdala in den Nebennieren den Ausstoss des Hormons Adrenalin aus. Der ganze Körper reagiert in Millisekunden auf dieses Hormon. Blutgefässe werden zusammengezogen, Zuckerreserven werden in grosser Eile in die Blutbahnen abgegeben, alle Muskeln werden angespannt, um blitzschnell auf eine eventuelle Bedrohung reagieren zu können. Das Gehirn konzentriert sich auf die Bearbeitung der Gefahrensituation, alle Hirnregionen, die für diese Arbeit nicht nötig sind, werden in der Leistung heruntergefahren.

Das bedeutet: Wenn Sie im Wald einem riesigen Grizzlybären gegenüberstehen, werden Sie sich stark auf dieses Problem fokussieren. Die Fähigkeit, die Wurzel aus 169 zu berechnen ist in dieser Situation stark eingeschränkt. Rechnen ist in diesem Moment nicht angesagt: Sie kennen nur die drei Optionen Kämpfen, Fliehen oder Totstellen.

Amygdala aktiviert: Jetzt gibt es nur 3 Optionen: Kämpfen, fliehen oder tot stellen

Übertragen auf moderne Menschen bedeutet das folgendes: Wenn sie sich in einer unsicheren Situation befinden – zum Beispiel bei einer wichtigen Prüfung – kann es passieren, dass die Amygdala aktiviert wird und zur Unterstützung der Angstreaktion in grossen Mengen Adrenalin ausgeschüttet wird. Das Gehirn will auf die drohende Gefahr möglichst optimal vorbereiten.

Das ist sehr fürsorglich vom Gehirn, nur hat sich die Welt mittlerweile grundlegend geändert: Was bei einer Begegnung mit dem Grizzlybären gut funktioniert, ist bei Prüfungen sehr hinderlich: Die hohe Alarmbereitschaft des Körpers sorgt dafür, dass man mit hochroten Kopf völlig angespannt dasteht und das weitgehend abgeschaltetes Gehirn überlegt sich fieberhaft, ob man nun kämpfen, fliehen oder sich totstellen sollte. Nichts davon ist für eine Prüfung besonders hilfreich. Das Wissen, das für die Prüfung notwendig wäre, steckt in einer der Gehirnregionen, die gerade vom Adrenalin abgeschaltet wurde. Immer wieder amüsiert sich das ganze Land über Kandidaten, die bei der 50 Euro Frage beim Quiz «Wer wird Millionär» grandios versagt haben. Der Grund für dieses Phänomen ist ganz einfach: Es war die Amygdala.

Es gibt dabei einen sehr ernsten Hintergrund, über den gerade Menschen, die pädagogischen Berufen sehr gut Bescheid wissen müssen: Es ist diese Reaktion auf Stressreaktionen, die bei im Ernstfall zu dummen Entscheidungen führen kann. Viele Straftaten werden im Affekt begangen, beinahe jeden Tag kann man in den Medien darüber lesen: Ein Streit eskaliert immer weiter und irgendwann liegt jemand schwer verletzt am Boden. Die Beteiligten verlieren in dem zunehmenden Stress der Auseinandersetzung die Kontrolle über ihr Verhalten.

Lehrerinnen und Lehrer, die mit herausfordernden Verhaltensweisen konfrontiert werden, kennen das Phänomen. Ein Konflikt droht zu eskalieren, der Stresslevel bei allen Beteiligten steigt. Adrenalin verengt den Blick, der ganze Körper und Geist werden nur noch auf den bevorstehenden Kampf fokussiert. Wenn zwei Kontrahenten jeweils das Verhalten «Kampf» als den erfolgsversprechenden Weg gewählt haben, sind andere Lösungen als eine laute und energiegeladene Auseinandersetzung kaum noch möglich. Das ist eine direkte Folge des Adrenalins, das alle Gehirnregionen, die zur Entschärfung des Konflikts hilfreich wären, gerade abgeschaltet hat.

Es beginnt eine Auseinandersetzung, die wenig Chancen hat, optimal zu verlaufen. Es gibt zu wenig bewusste Kontrolle. Das sind die Momente, in denen man im Nachhinein nicht zufrieden ist, mit dem, was man gesagt oder getan hat. Man beginnt sich über sich selbst zu ärgern. Die Arbeit beginnt, belastend zu werden.

Wer einen pädagogischen Beruf professionell ausüben will, muss sich die folgende Frage stellen können: Wer hat in meinem Kopf gerade die Kontrolle? Wenn die Amygdala übernimmt und von Angst dominierte Gefühle immer stärker werden, ist es höchste Zeit, die Deeskalation in Angriff zu nehmen: Gehen Sie sofort einen Schritt zur Seite, verlassen Sie nach Möglichkeit für einen Moment die Situation! In kommenden Beiträgen zu Thema «Verhalten» wird uns die Amygdala noch einige Zeit weiter beschäftigen.

Dopamin
Ein Steinzeitmensch zieht durch die Wälder und sucht nach Essbarem. Plötzlich regt sich etwas im Gebüsch. Es ist ein kapitaler Hirsch! Nun heisst es Ruhe bewahren, den mitgebrachten Speer langsam nach vorn zu führen, das Ziel zu fokussieren, dabei den Atem zu kontrollieren und schliesslich den Speer mit grosser Kraft in Richtung des Hirsches zu schleudern.  

Wer sich besonders auf etwas konzentrieren muss (das gilt nicht nur für die Jagd), der wird durch Hormonausschüttung in einen Zustand besonders hoher Aufmerksamkeit versetzt. Alle Aufmerksamkeit konzentriert sich auf das eine Ziel. Störimpulse werden, so gut es irgendwie geht, unterdrückt.

Nucleus Accumpens wird aktiviert. Die Konzentrationsfähigkeit ist hoch

Unser Steinzeitmensch hat den Hirsch leider verfehlt und zieht weiter durch den Wald. Seine Augen suchen aufmerksam die Umgebung ab. Er sucht Nahrung, egal welche. Da sieht er einen Strauch mit roten Beeren. Vorsichtig probiert er eine. Sie schmecken gut. Schnell isst er sich an den Beeren satt, ehe er noch einen Vorrat für seine Familie einpackt. 

Unser Steinzeitmensch ist glücklich. Dieses Glücksgefühl wird verursacht durch die Ausschüttung des Hormons Serotonin. Es wird aktiviert, um die Konzentration auf der Suche nach Essen zu belohnen. Die Fokussierung auf die Nahrungssuche, der Einsatz des Dopamins, hat dazu geführt, das Beeren gefunden wurden. Serotonin sorgt dafür, dass unser Steinzeitmensch einen Glücksmoment geniessen darf.

Die Konzentration auf die Suche wird belohnt durch ein Glücksgefühl. Serotonin verursacht es

Das Glücksgefühl bestätigt ein erwünschtes Verhalten. Er wird also in Zukunft weiterhin nach den roten Beeren Ausschau halten, die so gut schmecken und ihm diesen Glücksmoment beschert haben. Das ist ein uralter Mechanismus, der in der Geschichte der Menschheit dazu geführt hat, dass Menschen immer weiter nach Essen suchen können, um zu überleben. Ohne die Möglichkeit, sich auf die Suche nach Nahrung stark zu fokussieren, wären z.B. Menschen in der Steinzeit wahrscheinlich weniger erfolgreich gewesen.

Dieser alte Mechanismus hat eine grosse Zahl an Variationen in unserem modernen Alltag. Dopamin ist allgegenwärtig. Eines der amüsantesten Beispiele die Nutzung von Social Media:

Manche Menschen konzentrieren einige Aufmerksamkeit darauf, sich in Social Media Plattformen gut darzustellen. Durch (oder für) diese Fokussierung wird Dopamin im Gehirn ausgeschüttet. 
Dopamin erzeugt das unbestimmte Gefühl, dass es sich lohnt, dran zu bleiben. Es erzeugt das Gefühl, dass eine Belohnung bald kommen könnte, die Aufmerksamkeit fokussiert sich auf die Tätigkeit. Diese Belohnung kommt in Form der Rückmeldung: Es gibt Likes und Kommentare, die bestenfalls als Belohnung empfunden werden können. Serotonin wird daraufhin im limbischen System ausgeschüttet. Ein Mensch wird für das Verhalten, sich auf Social Media darzustellen, zwei Mal belohnt: Zuerst gibt es einen Zustand der Vorfreude und Konzentration, die Aussicht auf eine Belohnung und zu einem späterem Zeitpunkt einen kurzen Glücksmoment. Serotonin wird ab diesem Moment dafür sorgen, dass dieser Mensch immer wieder Details aus seinem Leben postet, um den Kick des Dopamins und des Serotonins wieder spüren zu können. 

Die drei Beispiele verdeutlichen auf drei verschiedenen Ebenen vor allem eines: Viele Funktionen in unserem Gehirn stammen noch aus einer Zeit, in der grundlegend andere Rahmenbedingungen herrschten. Emotionen sind die Werkzeuge des limbischen Systems. All diese Vorgänge finden vorwiegend ausserhalb unseres Bewusstseins statt. In den heutigen Rahmenbedingungen brauchen wir eine übergeordnete Instanz, die es uns ermöglicht, die Funktion des limbischen Systems zu verstehen.

Diese Instanz wird es uns ermöglichen, unsere emotionale Basis zu erkennen und daraus resultierendes Verhalten auf die Anforderungen unserer Zeit anzupassen. Diese Instanz arbeitet überaus effektiv, um erfolgreich arbeiten zu können, braucht sie aber viele Informationen. Es ist einfach, zu erraten, wer diese Instanz ist: Direkt über dem Mittelhirn thront es, es ist viel grösser in der Ausdehnung als die anderen Teile des Gehirns. Es verfügt über eine atemberaubende Anzahl an möglichen Vernetzungen, also an Potential. Es ist: Das Grosshirn.

Das Grosshirn

In Kürze: 
Ein Zufall der Evolution hat zu der massiven Zunahme der Masse des Grosshirns bei Menschen geführt. Im Grosshirn ist das analytische und logische Denken, die Fähigkeiten zur Sprache, das Gedächtnis und viele weitere Funktionen zu Hause. Es hat eine grosse Begabung, Muster und Strukturen zu erkennen. Daraus generiert es Wissen und Kompetenzen.

Der jüngste Teil, den die Evolution im Gehirn hervorgebracht hat, ist das Grosshirn. Hier sind die zahlreichen Fähigkeiten zur Analyse von Sprache, Speicherung von Wissen oder Bildung von Zusammenhängen durch bewusstes Nachdenken beheimatet. Menschen sind ein Säugetier mit einem besonders ausdifferenzierten Grosshirn.

Als Paul McLean (1990) die Vorstellung von dem dreiteiligen Gehirn entwickelte, bezeichnete er diesen Teil als Menschenhirn. Natürlich wissen wir, dass es Grosshirne bei sehr vielen Tierarten gibt. Dennoch gibt es einen Unterschied, der die Forschung beschäftigt: Die Intelligenz der Menschen im Bereich der logischen Rückschlüsse und dem Aufbau komplexer Strukturen.

Das Beispiel der Sprachentwicklung von Affen (eilige Leser könnten das überspringen)

Der Neurobiologe Robert Sapolsky schildert in einer Vorlesung an der Universität Stanford zum Thema Sprachentwicklung auf amüsante Weise die zahlreichen Versuche, die gemacht wurden, um Primaten (Menschenaffen) Sprache beizubringen. Über die 60er und 70er Jahre wurden zahlreiche Menschenaffen mit Gebärdensprache trainiert – einen Kehlkopf für menschliche Sprachlaute haben nur Menschen, daher wurde Gebärdensprache trainiert. Es gab Affen, die einen grossen Wortschatz lernen und auch situativ anwenden konnten. Anfang der 80er Jahre, nach jahrelanger Forschung an kommunizierenden Menschenaffen arbeitete ein Forscher heraus, was bei all den kommunizierenden Affen im Vergleich zu Menschen anders lief: Die Affen konnten Gebärden situativ einsetzen, sie konnten auch zwei  oder drei Gebärden in der Kommunikation kombinieren («Ich möchte gerne Schokolade»).

Menschen aber beginnen in ihrer Entwicklung schon bald, Worte in grossem Umfang immer neu zu kombinieren und sie bilden sinnhafte Reihenfolgen von Worten, wir kennen das in unserer Sprache als Syntax und Grammatik (nach Sapolsky, 2011/1, 1h18min bis Ende) Vor allem aber kreieren Menschen schon früh eigene Worte nach sinnvollen Regeln.

Beispiele für solches Verhalten sind kindliche Äusserungen wie «die Kerze auszünden». Wenn es «anzünden» gibt, ist es nur logisch, dass es auch «auszünden» geben muss. Wie viele Zusammenhänge muss ein Gehirn eines kleinen Kindes erarbeitet und vernetzt haben, um diesen Umkehrschluss zu machen und den dann in der Sprache auch noch aktiv zu erproben?

Die Fähigkeit der Kommunikation ist bei vielen Tieren vorhanden. Die Struktur der Sprache, die hohe Komplexität ihrer Struktur und der kreative Umgang mit ihr, das ist bei Menschen anders. Die Leistungsfähigkeit des Grosshirns umfasst viele Bereiche, die Sprache ist an dieser Stelle nur ein exemplarisches Beispiel. Die Fähigkeit, Strukturen und Muster zu erkennen und mit Hilfe logischer Denkprozesse zu analysieren ist im menschlichen Grosshirn besonders ausgeprägt.

Professor Wieland Huttner und Nereo Kalebic vom Max Planck Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden haben in der Frage um die besondere Entwicklung der menschlichen Gehirnleistung eine wichtige Entdeckung gemacht: Es geht dabei um ein einziges Gen namens ARHGAP 11B, das nur bei Menschen vorkommt. Dieses Gen konnte isoliert werden und seine Wirkung in anderen tierischen Organismen erforscht werden. Das Ergebnis war eine Überraschung: Dieses Gen lässt die Grosshirnrinde schnell wachsen und bildet dabei die typischen Falten aus, die an Menschengehirnen zu sehen sind. Durch diese Auffaltung haben Menschengehirne eine dreimal grössere Gehirnmasse als Schimpansen (Max Plank Gesellschaft, 2016). In dieser aufgefalteten äusseren Gehirnschicht, Neokortex genannt, sind zahlreiche Funktionen angesiedelt, die für die komplexen Denkstrukturen von Menschen verantwortlich gemacht werden.

Schematische Darstellung einer Punktmutation auf einer DNA Doppelhelix

Im Gesamtsystem der Evolution war es wohl dieser kleine Zufall, der die Entwicklung der Menschen mit grosser Kraft vorantrieb: Eine zufällige Mutation in der Anordnung von einer oder mehreren der 269 Aminosäurepaare auf einem Gen namens ARHGAP 11B ermöglichte es unseren Urahnen plötzlich, viel mehr Gehirnmasse zu bilden als andere zu der Zeit existierende Lebewesen. Aufgrund der Analyseergebnisse von Proben, die Knochen von Neandertalern entnommen wurden, können wir vermuten, dass diese Mutation damals schon bestanden haben muss. Neandertaler teilen dieses Gen mit modernen Menschen, während alle heutigen Menschenaffenarten nicht über diese Genmutation verfügen. Die durch die Mutation verursachte höhere Leistungsfähigkeit steht für den Startpunkt, an dem die Menschheit damit begann, sich schnell weiter zu entwickeln und bis heute grossen Einfluss auf den gesamten Planeten auszuüben. Die Evolution der Menschenaffen und die der Menschen nahm von dem Moment an einen unterschiedlichen Verlauf.

Kurz zusammengefasst ist es so, dass sich das Stammhirn und das limbische System früher entwickelt haben. Das Grosshirn in seiner heutigen Leistungsfähigkeit kam erst später dazu. Damit mussten die „älteren“ und die „jüngeren“ Hirnteile einen Weg finden, miteinander zusammenzuarbeiten. Das machen sie häufig über Hormone. Tatsächlich hat das Grosshirn nur wenig direkte Zugriffspunkte zum limbischen System. Es muss sich immer etwas einfallen lassen, um Einfluss zu nehmen auf die emotionale Situation.

Es gibt also ein altertümliches, gefühlsbezogenes, unbewusst arbeitendes Gehirn und ein neues, auf logischen Denkoperationen aufgebautes Gehirn, das zumindest teilweise über ein Bewusstsein verfügt, die miteinander kooperieren müssen.

Dieses Zusammenspiel zwischen „altem“ und „neuen“ Gehirn ist für so viele Phänomene des menschlichen Verhaltens verantwortlich, dass ich damit noch sehr viele Blogbeiträge füllen werde. Es ist eine der wichtigsten Grundlagen für das Verständnis, wie ein Gehirn arbeitet.

Als Beispiel kann man die Arbeit von Werbefachleuten anführen. Sie versuchen, uns Produkte häufig auf der Ebene des Unbewussten, mit Hilfe von Gefühlen anzubieten. Wie viele Autos werden auf der Basis von rein rationalen Erwägungen verkauft? Wie viele Autos werden dagegen verkauft, weil sie dem Besitzer ein gutes Gefühl vermitteln? Sei es das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit oder sei es das Gefühl, durch einen besonders tollen Wagen in der gesellschaftlichen Rangordnung weiter nach oben zu steigen. Das limbische System kauft mit ein, wenn wir einkaufen gehen. Bei manchen Menschen mehr, bei Menschen weniger.

Der grüne Wagen wäre die vernünftige Entscheidung…

Was heisst das für den Alltag?

  • Die unterbewussten Vorgänge, die im Gehirn zu jeder Zeit ablaufen, werden oft völlig unterschätzt. Dass der Verstand die emotionalen Bedürfnisse und Ausdrucksformen kontrollieren kann, ist häufig eine Illusion.
  • Schnelle Anpassung an sich ändernde Situationen ist die Stärke des Grosshirns. Im Bereich der unterbewussten Denkprozesse, im Zusammenspiel zwischen Denken und Emotionen ist die Anpassungsfähigkeit nicht so ausgeprägt. Hier gelten andere Regeln, die in der Geschichte der Menschheit sehr tief verankert sind.
  • Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Status und Rang innerhalb der Gruppe, tiefsitzende Ängste und Strategien, mit dem Gefühl der Angst umzugehen: All das wird vom limbischen System dominiert. Das emotionale Bedürfnis ist oft stärker als die Vernunft. Das hat einen grossen Einfluss auf alltägliche Situationen. Denken Sie dabei nicht nur an Kinder: Das gilt für Erwachsene ebenfalls. Vieles, was wir im Alltag an Verhalten erleben, erschliesst sich uns erst, wenn wir hinter die Fassade – auf die Ebene der Emotionen schauen.
  • Verhalten, dass aus diesem emotionalen Bedürfnis entsteht, ist zunächst auf sich selber ausgerichtet – es dient dem eigenen Bedürfnis. Es wird erst durch die Bewertung, dass es z.B. die Gruppe stört, zu einem Problem. Man sollte also gut unterscheiden zwischen der Ursache eines Verhaltens – dem emotionalen Bedürfnis – und den Auswirkungen – der Störung der Bedürfnisse der anderen.

Andreas Illenberger, Dezember 2024

Weiterführend:

Wikipedia: Paul Mc Lean

Spektrum der Wissenschaft: Dreieiniges Gehirn

Homöostase

Oder: Warum das Gehirn seine eigenen Regeln hat

In Kürze: 
Homöostase ist ein Zustand der ausgeglichenen chemischen Verhältnisse in jeder Körperzelle. Das Gehirn hat die Aufgabe, diesen Zustand möglichst zu erhalten. Dafür verwendet es – wenn nötig - viel Energie. Das Ziel ist, so schnell wie möglich Homöostase herzustellen. Das beeinflusst die gesamte Arbeit des Gehirns.


Eine der Kernfragen, die sich im Zusammenhang um das Gehirn stellen, lautet: «Wozu hat es sich entwickelt»? Nervenzellen (Neuronen) haben keine direkten Aufgaben im Körper. Sie führen keine Bewegungen aus, verdauen nichts, nehmen keine Umweltsignale auf. Sie dienen ausschliesslich der Kommunikation. «Neuronen bestehen zum Nutzen des ganzen Organismus. Für grundlegende Lebensprozesse sind sie nicht notwendig» (Damasio, 2011, S. 23).
Das bedeutet, dass sich im Verlauf der Evolution ein System von Zellen entwickelt hat, dass zwar mit ernährt werden muss, aber keine direkte Arbeitsleistung erbringt. Ein Lebewesen mit Gehirn wird also in der Energieeffizienz nicht besonders gut abschneiden, weil es das Gehirn mit ernähren muss. Das kostet viel Energie! Ein menschliches Gehirn braucht schon im Ruhezustand etwa 20% der Energie, die der Organismus gesamthaft benötigt. Weshalb leisten sich Organismen also ein teures und energiefressendes Nervensystem?


Der Hirnforscher Antonio Damasio (2011) sieht die Ursache für die Entstehung des Gehirns im Bedürfnis der Körperzellen. Ihr Bedürfnis ist, genügend Nahrung zu haben, es nicht zu kalt oder zu warm zu haben, keinen Substanzen ausgesetzt zu sein, die sie beschädigen, etc. Es gibt jede Menge Faktoren, die für eine Zelle stimmen müssen. Jede Zelle unseres Körpers ist angewiesen auf gute Lebensbedingungen. Für diese Faktoren gibt es einen engen Bereich, in dem die Körperzelle gut leben kann. Weicht einer der Parameter zu stark ab, bedroht das eventuell die Existenz der Zelle, schlimmstenfalls den ganzen Organismus. Die Zelle stirbt wegen Mangelernährung ab, die Zellwand wird zerstört aufgrund von zu grosser Hitze, es gibt nicht genug Flüssigkeit – es gibt für eine Körperzelle zahlreiche Möglichkeiten, zu Tode zu kommen.

Wenn man alle Messwerte in einer Zelle mit Instrumenten erheben könnte und alle Messwerte im grünen Bereich wären, wäre die Zelle optimal gesund und optimal versorgt.

Evolution – eilige Leser können diesen Abschnitt überspringen.

Der Zustand der guten Verhältnisse, bei dem die Zelle in einem förderlichen Umfeld leben kann und damit möglichst lange am Leben bleibt, wird Homöostase genannt.
Es gibt viele Kleinstlebewesen, die über kein Nervensystem verfügen, dazu gehört die riesige Gruppe der Bakterien. Wenn man eine Ansammlung von Bakterien unter einem Mikroskop beobachtet, verteilen sie sich zufällig irgendwo im Raum. Wenn aber in einer Ecke des beobachteten Raums ein Giftstoff platziert wird, werden sich die Bakterien nach Möglichkeit von dem Gift wegbewegen. Sie haben wohlgemerkt kein Nervensystem und kein Gehirn. Das Bedürfnis nach Homöostase ist – so die Theorie – der Antrieb für diese Bewegung. Die einzelligen Lebewesen können die Bedrohung ihrer Homöostase spüren und reagieren direkt darauf. Sie spüren den Giftstoff.

Dinoflagellaten sind einzellige Lebenwesen, die sich mit Hilfe der beiden Flagellen im Wasser fortbewegen können

Als die ersten Lebewesen im Verlauf der Evolution immer mehr Zellen zusammenbrachten, wurde es nötig, die Bewegungen und Aktivitäten der einzelnen Zellen zu koordinieren. Zu diesem Zweck hat die Natur chemische Botenstoffe erfunden, die alle Zellen schnell in eine einheitliche Reaktion versetzen können. Bei Gefahr sind blitzschnell alle Zellen informiert und das mehrzellige Gebilde kann die Flucht ergreifen. Das ist oft hilfreich, doch es ist nicht immer sinnvoll, wenn alle Zellen das Gleiche tun. Es wäre z.B. gut, die Richtung einer Fluchtbewegung gezielt beeinflussen zu können.
Ein differenzierterer Schritt, die Koordination zu verfeinern, war die Entwicklung des Nervensystems: Nun gab es nicht mehr nur ein- und dieselbe Reaktion für alle Zellen, sondern gezielte Reaktionen der Zellen, die wirklich reagieren mussten. Es war ein Meilenstein in der Koordination von Bewegungen, der da vor Millionen von Jahren stattgefunden hat. Kleine, mehrzellige Wesen konnten sich nun koordiniert von einer Gefahrenquelle wegbewegen. So hat alles angefangen.

Wenn mehrere Dinoflagellaten in einem Organismus zusammenarbeiten sollen, muss man die Bewegung der Flagellen koordinieren. Als schematische Darstellung orange markiert sind die Verbindungen, die dazu nötig sind: Das Nervensystem.

Wenn der Zustand der Homöostase bedroht ist, wird das Nervensystem alarmiert.

Um die Aufgabe, den Körper möglichst umfassend zu schützen, zu meistern, wurde das Gehirn des Menschen im Verlauf der Evolution mit zwei besonders ausgeprägten Fähigkeiten ausgestattet. Sie sind ein wesentlicher Teil des evolutionären Erbes, dass man in einer weiter entwickelten Variante bei heutigen Menschen sehen und auch nutzen kann:

Die Fähigkeit, in Bildern und Karten zu denken

Das Gehirn ist enorm gut informiert über jedes Detail unseres Körpers und im Fall der beweglichen Gliedmassen nicht nur über deren Zustand, sondern auch über deren Stellung im Raum. Darüber hinaus hat es den Raum, die räumlichen Verhältnisse und alles, mit dem wir eventuell interagieren könnten, im Blick.

Es hat eine grosse Stärke, Karten und Bilder im Gehirn entwerfen und abbilden zu können. Es gibt in der Grosshirnrinde grosse Bereiche mit Nervenzellen, die in symmetrischen Mustern, ähnlich einem Gitternetz, angeordnet sind. Das sind Bereiche, die geschaffen sind, um Bilder zu speichern und zu analysieren. Denken Sie an einen Basketballspieler, der den Ball hebt, wirft und über eine Distanz von mehreren Metern diesen kleinen Ring des Korbs trifft. Eine Symphonie der Bewegungskoordination, die dabei abläuft!


Es gibt in manchen Bereichen des Gehirns eine kartografische Ordnung (Damasio, 2011, S.55). So kann ein Mensch auf der Basis dieser Daten die Situation nach Chancen und Gefahren hin einschätzen und bewerten. Natürlich konnte unser Basketballspieler diese Karte auch nutzen. Wenn sie schon einmal angelegt ist, warum nicht? Es geht schliesslich nicht immer nur ums Überleben.


Der Einfluss dieser Kompetenz auf die Entwicklung weiterer Kompetenzen, die für Menschen typisch sind, lässt sich auch jetzt in diesem Moment gut beobachten: Denken Sie an die Fähigkeit, sich aus einem gelesenen oder gehörten Text ein inneres Bild von dem Inhalt zu machen. Denken Sie daran, wie Sie eine Erklärung erst dann richtig verstehen, wenn Sie ein inneres Bild von dem Zusammenhang sehen können.

Wenn man es in dem Kontext betrachtet, wird klar, was für eine erstaunliche Leistung das Gehirn da vollbringt. Man braucht viel Rechenleistung, um an einem Computer Bilder zu bearbeiten, vor allem, wenn sie sich auch noch bewegen sollen. Dasselbe gilt auch für das Gehirn: Es hat im Bereich der Bilderzeugung eine enorme Leistungsfähigkeit. In dieser Fähigkeit, innere Bilder zu erzeugen steckt ein enormes Potential.

Die Fähigkeit, Vorhersagen zu treffen

Das Gehirn kann auf der Basis der Informationen, die der Körper und die Sinne zur Verfügung stellen, Vorhersagen erstellen. Es sind Vorhersagen, was in nächster Zukunft eventuell passieren könnte. Diese Vorhersagen haben eine deutlich
lebensverlängernde Wirkung, wenn sie auf Gefahrensituationen aufmerksam machen, so hat sich diese Fähigkeit auch entwickelt: «Achtung, das da in der Ferne könnte ein Löwe sein. Wenn der mir zu nahe kommt, endet das schlecht. Ich sollte einen anderen Weg suchen».

Damit hat sich der Aufwand, sich ein derartig komplexes Gehirn zu leisten, schon gelohnt: Ohne die Vorhersage einer drohenden Gefahr endet das Leben unter Umständen schneller.
Um die Vorhersagen immer weiter zu verfeinern, evaluiert das Gehirn die Vorhersagen.

Tritt nicht das ein, was sich das Gehirn ausgedacht hat, wird es besonders aktiv. Es versucht, heraus zu finden, warum die Vorhersage nicht eingetroffen ist. Daraus ergibt sich wieder neues Wissen, auf dessen Basis die Vorhersagen immer weiter verfeinert werden können. Man kann es auch Erfahrung nennen.

Erfahrene Autofahrer können Gefahren besser einschätzen, erfahrene Piloten meistern auch schwierigste Situationen. Die Basis der Erfahrung ist die ständige Evaluation der Vorhersagen, die das Gehirn trifft.

Vorhersagen zu treffen ist lebensverlängernd


Die Mathematik ist wohl die Königsdisziplin der Vorhersagen: Sie dient dazu, vorherzusagen, was geschehen wird. Welche Menge wird vorhanden sein, wenn mehrere kleinere Mengen zusammenkommen? Ab welchem Gewicht wird eine Brücke instabil? Wo können wir mit einer Weltraumsonde nahe an einem Asteroiden vorbeifliegen, ohne mit ihm zu kollidieren?

Es lässt sich leicht ausmalen, wie weit die Fähigkeit, logische Zusammenhänge zu erkennen, die Menschheit gebracht hat. Das logische Denken ist das Ergebnis der Bemühungen, die Vorhersagen möglichst genau hin zu bekommen.

Die Mathematik hebt die Vorhersagen auf dir Ebene des Abstrakten. Nicht alle Gehirne können diese Abstraktion auf dem gleichen Niveau leisten. Dass es in unserer Kultur Systeme wie die Schriftsprache oder ein Periodensystem der chemischen Elemente gibt, basiert auf der Fähigkeit des Gehirns, abstrakte Zusammenhänge zu erfassen.



Es gibt einige grundlegende Prinzipien, nach denen das Gehirn funktioniert. Das Prinzip der Homöostase ist eines davon. Im Kern geht es darum, dass es uns gut gehen muss, sonst reagiert das Gehirn. Es kann dann Hormone ausschütten, mit denen es unsere Emotionen beeinflusst. Es könnte zum Beispiel Adrenalin ausstossen, was uns direkt in eine Stressreaktion bewegen würde.

Verfolgt man diese Spur weiter, dann landet man bei den Begriffen „Kohärenz“ und „Inkohärenz“, die der deutsche Hirnforscher Gerald Hüther geprägt hat. Das auszubreiten ist Stoff für einen neuen Blogbeitrag. Kohärenz ist für ihn der Zustand, für den für das Gehirn alles stimmt: Das klingt ähnlich wie der Zustand der Homöostase.

Beide Begriffe definieren einen Grundmechanismus im Gehirn: Homöostase herzustellen ist das oberste Ziel. Bei Gerald Hüther heisst es analog, Kohärenz herzustellen sei das oberste Ziel.

Das bedeutet, das Gehirn wird einen schnellen und effektiven Weg suchen, Homöostase oder Kohärenz herzustellen. Nicht der lange, komplizierte Weg, nein der schnelle Weg soll es sein. Energie bereitzustellen für komplizierte Denk- und Entwicklungsarbeit ist für das Gehirn erst mal nicht attraktiv. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man verstehen möchte, wie die Gehirne von Menschen arbeiten.

Ich werde diesem Thema noch einige Beiträge widmen müssen, was so einfach klingt, führt zu weitreichenden Folgen im Verhalten von Menschen.